Kasper: «Zu 100 Prozent faire WM gibt es ganz einfach nicht»

Are – Olympia besser in Diktaturen, die Klimaerwärmung nicht bewiesen – Gian Franco Kasper hat mit seinen Aussagen in einem Interview jüngst für Wirbel gesorgt.

Aber auch abseits dieser Kontroversen hat der Präsident des Skiweltverbands vor dem Abschluss-Wochenende der Ski-WM in Are viele offene Themen.

Die Kombination wird doch nicht abgeschafft. Warum?

Gian Franco Kasper: Es gab sehr viele Leute, die der Überzeugung sind, dass wir unsere älteste Disziplin nicht einfach so aufgeben sollen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch einige Leute, die den Parallel-Slalom befürworten. Es war praktisch ausgeschlossen, eine Mehrheit für das Eine oder das Andere zu finden. Deshalb sind wir – typisch schweizerisch – einen Kompromiss eingegangen.

2021 gibt es dann 13 statt 11 Rennen. Wie soll das ablaufen?

Kasper: Das ist vorläufig noch offen. Diese zwei zusätzlichen Rennen bekommen wir problemlos ins Programm. Parallel-Slaloms kann man auch am Abend fahren. Das sollte wirklich kein Problem sein.

Wenn man die Kombination für Cortina d’Ampezzo behält, dann sollten aber auch im Weltcup in den kommenden Saisons Rennen in dieser Disziplin durchgeführt werden, oder?

Kasper: Das haben wir gleichzeitig beschlossen. Wir haben aus dem Vorstand eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die den Weltcup-Kalender überarbeiten muss – und zwar bereits den nächstjährigen. Das wird sehr schwer sein, aber es soll wieder mehr Kombinationen geben.

An wie viele Kombinationen pro Winter denken Sie jeweils?

Kasper: Als persönlich erstrebenswert sähe ich drei oder vier. Das wäre ein gutes Ding. Es gibt doch einige Orte, die mehr als froh wären, wenn sie auch noch eine Kombination hätten. Die Frage ist dann, wie man das im Gesamtweltcup einbaut. Aber das ist für mich ganz klar: Wenn wir die Kombination bei Weltmeisterschaften und eventuell später auch bei Olympischen Spielen behalten, dann müssen wir auch im Weltcup einige Kombinationen durchführen.

Künftig soll es unter dem Namen Parallel eine weitere alpine Disziplin geben. Was wurde in diesem Bereich entschieden?

Kasper: Das ist nicht eine Angelegenheit des FIS-Vorstands, sondern des Alpinkomitees. Bis im Frühjahr muss eine Einigung über das Format erzielt sein. Wir können nicht mit diesem Durcheinander weiterfahren. Das Alpinkomitee hat den festen Auftrag, im Frühjahr mit einer Lösung zu kommen, die in der nächsten Saison zur Anwendung kommt.

Sie sagten, Olympia ist zu groß und zu teuer. Welche Disziplinen würden Sie denn gerne streichen?

Kasper: Es geht mir nicht darum zu streichen. Es geht darum, nicht noch mehr dem Gigantismus zu verfallen und mehr und mehr Disziplinen respektive Wettkämpfe rein zu holen.

Wie groß ist die Gefahr, dass am Ende weder Stockholm noch Mailand Olympia 2026 ausrichten?

Kasper: Ich würde die Frage gerne beantworten. Wenn ich es denn wüsste. Die Gefahr besteht natürlich, ist aber nicht mehr ganz so groß. Was ich hier in Are jetzt gehört habe vom Premierminister und all den Politikern, die hier in Are waren, die Stimmung ist eigentlich sehr positiv. In Italien muss man die Regierung ja nicht mehr weiter befragen. Die zwei betroffenen Provinzen haben «Ja» gesagt, auch zur Finanzierung. Das sollte an und für sich funktionieren.

Welcher der beiden Kandidaten überzeugt Sie mehr?

Kasper: Schauen Sie, für uns ist es eine Luxusausgabe. Beide Orte haben sehr, sehr viel Erfahrung mit Weltcups in allen unseren Disziplinen. Was immer rauskommt, für uns ist es kein Problem.

Ihr Interview mit dem «Tages-Anzeiger» hat zuletzt für Wirbel gesorgt. Sie haben sich erst für das Missverständnis entschuldigt, dann der Zeitung unterstellt, dass sie falsch zitiert wurden…

Kasper: …falsch zitiert ist falsch gesagt. Man hat die Aussagen verändert oder herausgenommen. Ich kann immer nur wiederholen: Selbstverständlich glaube ich an die Klimaveränderung, das sind Fakten, die müssen wir gar nicht diskutieren. Aber ich glaube nicht daran, und da wehre ich mich dagegen, dass das heißt, dass der Schneesport vorbei ist und wir in zehn oder zwanzig Jahren keinen Schnee mehr haben. Im Moment haben wir sicher klimatische Veränderungen, aber ob die anhalten oder nicht, das wäre zu beweisen.

Auch ihre Aussage über Olympia in Diktaturen hat für Aufregung gesorgt. Was gilt da jetzt?

Kasper: Wenn Sie mich fragen, wo ist es leichter ein neues Skigebiet zu bauen: In der Diktatur oder einer normalen Demokratie, dann muss ich sagen: In einer Diktatur. Aber wir haben mit den Diktaturen praktisch nichts zu tun, wir sind in demokratischen Ländern und müssen uns mit den Gegebenheiten auseinandersetzen. Was heißt auch Diktatur? Ein Dorfkönig kann das auch sein, der alles erleichtert. Das kann viel einfacher sein als über hundert Gremien zu gehen. Aber das hat nichts mit Diktaturen im eigentlichen Sinn zu tun.

Zum Schluss: Wie zufrieden sind sie mit der WM hier in Are?

Kasper: Bis jetzt haben wir Glück gehabt, wir haben auch keine Außenseitersiege gehabt…

… wäre das ein Pech, wenn es Außenseitersiege gibt?

Kasper: Jein. Außenseitersiege, wenn es mehrere sind, sind schlechte Beispiele für die Fairness des Rennens. Es kommen viele Leute infrage, aber wenn ein Mexikaner die Abfahrt gewänne, würde ich sagen, das ist nicht die beste Werbung für den Skisport. Aber wir sind draußen und müssen mit dem Wetter zurecht kommen. Eine zu hundert Prozent faire Weltmeisterschaft gibt es ganz einfach nicht. Das ist nicht möglich. Sonst wären wir in der Halle oder dem Labor.

ZUR PERSON: Der Schweizer Gian Franco Kasper (75) ist seit 21 Jahren Präsident des Skiweltverbands FIS. Zuvor war er dort 23 Jahre lang Generalsekretär. Gewählt ist er bis 2022. Kasper ist auch IOC-Ehrenmitglied.

Fotocredits: Michael Kappeler
(dpa)

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