Biathlon-Damen in der Krise: Nur eine holt Weltcup-Punkte

Hochfilzen – Laura Dahlmeier verschickte nach dem schlechtesten Abschneiden der Weltcup-Geschichte Durchhalteparolen, Magdalena Neuner legte den arg gebeutelten Biathletinnen den Gang zum Sportpsychologen nahe.

«Ich für meinen Teil habe es so gehandhabt, dass ich mit meinem Mentaltrainer verstärkt gearbeitet habe in dieser Zeit», erinnerte die 32 Jahre alte Rekordweltmeisterin im dpa-Gespräch an ihr persönliches Rezept gegen das sportliche Tief. «Da habe ich schon echt viel Zeit investiert und auch viel Geld. Für mich hat sich das immer gelohnt, weil ich relativ schnell aus diesen Niederlagen und aus diesen Krisen wieder herauskommen konnte.»

Die siebenmalige Weltmeisterin Dahlmeier (26) wärmte in einem emotionalen Facebook-Beitrag die goldenen Hochfilzener WM-Tage von 2017 mit ihr in der Hauptrolle auf und schrieb: «Ihr wisst, wie es geht, denkt einfach zurück. Ich weiß, ihr könnt es und ihr wisst es auch! Unterstützt euch, vertraut in euch, kämpft gemeinsam, gewinnt gemeinsam. Ihr seid großartig!»

DIE LAGE: Die deutschen Skijägerinnen sind noch nie schlechter im Weltcup unterwegs gewesen als in Hochfilzen. Ausgerechnet Weltmeisterin Denise Herrmann musste im Staffel-Rennen dreimal in die Strafrunde, beim Sieg von Weltmeister Norwegen landete das Quartett abgeschlagen auf Platz zwölf. «Man könnte meinen, ich habe erst gestern mit dem Biathlon angefangen. Das könnte wahrscheinlich meine Oma besser», sagte die in Bayern lebende Sächsin.

HOFFNUNG: «Das was ich kann, kann das ganze Team», sagte Vanessa Hinz. Beim Verfolgungs-Sieg der Norwegerin Tiril Eckhoff holte die 27-Jährige als Zwölfte die einzigen Weltcup-Punkte für das Damen-Team, Herrmann war zwar mit der besten Laufzeit unterwegs, musste aber gleich siebenmal in die Strafrunde und kam lediglich auf Rang 40. «Das war ein Wochenende zum Vergessen», meinte sie. Franziska Preuß war angeschlagen abgereist. «Wir werden bessere Ergebnisse bringen», kündigte Damen-Trainer Kristian Mehringer an.

FORDERUNG: «Die Trainer sind gefordert, die Mädels wieder aufzubauen, herzurichten», sagte Bernd Eisenbichler, der neue sportliche Leiter der Biathleten. Der Bayer war zuvor bei den US-Amerikanern in ähnlicher Rolle tätig, kam zur neuen Saison. «Jetzt muss man behutsam und sauber analysieren. So kann es nicht weitergehen. Wir müssen uns heranarbeiten an Platzierungen, die akzeptabel sind.»

TRAINER: Diskussionen wird es nicht geben. Mehringer (38) und Florian Steirer (37) haben gezeigt, dass sie das Damen-Team erfolgreich führen können. Der dreimalige Olympiasieger Mark Kirchner (49), als Chefbundestrainer auch für die Skijägerinnen zuständig, hat oft genug bewiesen, dass seine Männer bei Großereignissen gut dabei sind. Gerade in Krisen-Zeiten besticht der Thüringer vor allem mit Ruhe und Gelassenheit, lässt seine junge Kollegen arbeiten, steht aber immer mit Rat und Tat zur Seite.

VERGANGENHEIT: Spielt immer eine Rolle im deutschen Biathlon, das war so nach dem Rücktritt von Magdalena Neuner – und ist jetzt so nach dem Karriereende von Laura Dahlmeier. «Ich verstehe diesen Groll, den die Sportler mittlerweile haben. Auch ich kann es nicht mehr hören. Es nervt mich einfach schon langsam, dass es nur um Laura und Lena geht. Laura kann nichts dafür. Und ich kann auch nichts dafür, dass es halt jetzt momentanen in Biathlon-Deutschland so aussieht», bedauerte Neuner. Die zweimalige Olympiasiegerin sieht möglicherweise ein strukturelles Problem im Nachwuchsbereich.

DIE MÄNNER: «Wir haben uns ganz gut behauptet», sagt Coach Kirchner. «Konditionell sind wir voll dabei», sagte der dreimalige Olympiasieger. Im Verfolgungsrennen waren mit Johannes Kühn, Arnd Peiffer, Benedikt Doll und Philipp Horn beim 40. Weltcup-Sieg des Norwegers Johannes Thingnes Bö vier Skijäger in die Top 20 gelaufen.

DIE ANALYSE: «Der Ausreißer nach oben geht uns noch ab, aber ein deutlicher Aufwärtstrend ist da», sagte Kirchner. «Man muss auch mal sagen: Die Top-Leistung und die nicht ganz so gute Leistung, die liegen häufig enger beinander, als es den Anschein hat», befand Olympiasieger und Weltmeister Peiffer.

NÄCHSTE STATION FRANKREICH: In Le Grand Bornand steht am 19. Dezember der Männer-Sprint auf dem Wettkampf-Programm, erstmals mit der zweimaligen Olympiasiegerin Dahlmeier als ZDF-Expertin. Die Frauen haben die nächste Gelegenheit zur Wiedergutmachung am Tag darauf. «Wir haben kein Problem. Es ist viel Kopfsache», sagte Hinz und blickte schon weiter: «Ich freue mich auf Weihnachten.»

Fotocredits: Kerstin Joensson,Kerstin Joensson
(dpa)

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